Nachstehend hat LJV-Justitiar Klaus Nieding zum verabschiedeten Landesjagdgesetz Stellung bezogen:
"Neues LJagdG RLP vom Landtag beschlossen – Welche Fallstricke
enthält das Gesetz für die jagdliche Praxis?
von Rechtsanwalt Klaus Nieding, Frankfurt am Main/Meddersheim, Justiziar des LJV Rheinland-Pfalz
Nun ist es passiert: Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, in dem ein „grünes“ Jagdgesetz
verabschiedet worden ist. In den anderen Ländern konnte der Versuch, die Axt an die Wurzel des
Jagdwesens zu legen, bisher erfolgreich verhindert werden. Ob das so bleibt, ist abzuwarten.
Das Gesetz wird erst 2027 in Kraft treten. Dennoch gibt es gute Gründe, sich schon jetzt darüber
klar zu sein, was sich in der Praxis ändert.
1.) Bejagung des Schalenwildes
a.) Die Jagd ist so auszuüben, dass - - -
die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes durch Wild nicht beeinträchtigt
wird, übermäßige Wildschäden im Wald vermieden werden (§ 5 Abs. 1 Ziff. 3) und die
Verjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht wird (§ 5 Abs. 1 Ziff. 4).
Die Feststellung, ob eine Beeinträchtigung dieses Belangs vorliegt, wird von der unteren
Forstbehörde getroffen (§ 23 Abs. 1). Anhand der bereits jetzt vorliegenden neuen
forstbehördlichen Stellungnahme kann man erahnen, dass es darin nicht mehr um die
Hauptbaumarten gehen wird, um das waldbauliche Betriebsziel zu beurteilen, sondern
um alles, was irgendwie wächst, vom Ginster bis zur Pappel. Mit anderen Worten: das
Gesetz eröffnet die Möglichkeit einer außerordentlich weiten Feststellung von
Beeinträchtigungen.
die Leistungen der Landwirtschaft nicht beeinträchtigt und Wildschäden auf
landwirtschaftlich genutzten Flächen vermieden werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 5). Die
Feststellung, ob eine Beeinträchtigung dieses Belangs vorliegt, wird von der unteren
Jagdbehörde getroffen (§ 23 Abs. 3).
Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gewahrt werden (§ 5 Abs. 1 Nr.
6). Die Feststellung, ob eine Beeinträchtigung dieses Belangs vorliegt, wird von der
unteren Jagdbehörde getroffen (§ 23 Abs. 3).
b.) Bei einer erheblichen Beeinträchtigung der vorstehenden Belange wird ein
Mindestabschlussplan (MAP) festgesetzt – beim Reh-, Dam- und Muffelwild durch die
untere, beim Rotwild durch die obere Jagdbehörde.
c.) Die Nichterfüllung des Mindestabschlussplans stellt wie bisher eine Ordnungswidrigkeit
dar. Risiko für den Jagdpächter/Revierinhaber: Im Wiederholungsfalle ist der Jagdschein in
Gefahr (§ 41 BJG), neben anderen Rechtsfolgen wie Kündigung des Pachtvertrages
(Schadensersatz!), etc. (siehe die nachfolgenden Ausführungen unter Buchstabe e).
d.) Aber selbst diejenigen, die ihren Abschlussplan erfüllen, müssen mit Weiterungen rechnen:
Bei allen Wildarten, also auch beim Schwarzwild, kann die zuständige Jagdbehörde (beim
Rotwild die obere Jagdbehörde) eine Wildbestandssenkung bei gleichzeitiger Aufhebung der
Schonzeit anordnen (§ 25). Dies ist auch bereits bei (einfacher) „Gefährdung“ möglich. Bei
wiederholter (2mal?) Feststellung einer „erheblichen Gefährdung“ ist sie dazu gehalten
(„soll“). Die Senkung des Bestandes hat binnen Jahresfrist zu erfolgen, ansonsten wird sie mit
Verwaltungszwang durchgesetzt. Die Kosten einer solchen Ersatzvornahme, nämlich einer
dann behördlich angeordneten Jagd, trägt der Revierinhaber.
e.) Der Jagdpachtvertrag kann fristlos gekündigt werden, wenn Abschussvereinbarungen
wiederholt (2mal?) nicht eingehalten werden oder behördlichen Anordnungen (Senkung des
Wildbestandes, Erfüllung des MAPs) wiederholt in erheblichem Maße nicht nachgekommen
wird (§ 19 Abs. 5). In diesen Fällen zahlt der Pächter die Pacht weiter abzüglich der
Einnahmen aus Anschlussverpachtung.
f.) Dam- und Muffelwild darf außerhalb der Duldungsgebiete (wahrscheinlich die bisherigen
Bewirtschaftungsgebiete) nicht gehegt (wie bisher) und auch nicht geduldet werden (§ 27 ).
Der Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (Gefahr Jagdscheinentzug).
g.) Auch Rotwild ist in Sonderkulturen komplett zu erlegen. Unter den Begriff der
Sonderkulturen fallen nun auch die Forstkulturen bislang im Jagdbezirk nicht vorkommender
Baumarten (§ 3 Abs. 10).
h.) Das Kirren ist grundsätzlich verboten (§ 26 Abs. 1 Nr.11, Ausnahmen durch VO möglich).
i.) Insgesamt ist festzuhalten, dass ein jagdlicher Paradigmenwechsel vollzogen wird:
Entscheiden über das, was im Hinblick auf den Wildbestand im Revier jagdlich passiert, tun
das nicht mehr die eigentlich dazu berufenen Vertragsparteien des Jagdpachtvertrages,
sondern die zuständigen Behörden (siehe oben) vom grünen Tisch, im Fall der oberen
Jagdbehörde von Neustadt an der Weinstraße aus.
2.) Wildschaden
a.) Der Begriff des Wildschadens wird ausgeweitet. Jede Beschädigung von Grundflächen und
Bodenerzeugnissen fällt darunter (§ 3 Abs. 9).
b.) Die Schadensregulierung bei Forstpflanzen erfolgt bei Schälschäden durch den entgangenen
Gewinn zum angenommenen Nutzungszeitpunkt, ansonsten zum Wiederherstellungswert (§
37 Abs. 3). Beim zu ersetzenden entgangenen Gewinn zum Nutzungszeitpunkt spielen
hypothetische Ereignisse wie Windwurf, Blitzschlag, Borkenkäferschäden, etc. keine Rolle.
Ersatzpflichtig ist dabei im Grundsatz zunächst die Jagdgenossenschaft. Es ist daher genau
zu prüfen, was vertraglich auf den Jagdpächter überlagert wird.
c.) Angemeldet werden muss der Wildschaden im Feld binnen 2 Wochen nach Kenntnis des
Geschädigten. Soweit der Jagdpächter die Ersatzpflicht übernommen hat, kann er sich auf
eine Fristversäumnis aber nicht berufen, wenn er den Schaden vorher gesehen und den
Landwirt nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat. Die Ausschlussfrist ist damit
praktisch wirkungslos.
d.) Die Kosten des Vorverfahrens sind teilweise auch bei völligem Obsiegen vom Revierinhaber
zu tragen (§ 40 Abs. 4).
e.) Der Jagdpächter ist im Falle einer „erheblichen Gefährdung“ für die Anlage und den Unterhalt
von Weiserflächen verantwortlich (§ 23 Abs. 2, Nichtbeachtung ist eine Ordnungswidrigkeit).
Die Kosten dafür trägt er gemeinsam mit der Jagdgenossenschaft zur Hälfte.
3.) Jagdhund, Jagdbetrieb
a.) Die Ausbildung der Jagdhunde an der „Müller-Ente“ ist zwar nicht ausdrücklich verboten
worden. Man hat sich auf die „salomonische Formel“ des Verbots der Ausführung der
Baujagd mit Hund oder Frettchen ohne gesonderten Fachkundenachweis bzw. auf das
Verbot der Ausbildung mit tierschutzwidrigen Methoden geeinigt (§ 26 Abs. 1 Buchstaben
I, r), insbesondere Letzteres eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Frage, was gestattet
ist, wird praktisch nur verlagert. Es besteht durch die jetzt beschlossene Formulierung die
Gefahr, dass neben der Ausbildung mit der „Müller-Ente“ auch andere Ausbildungsmethoden
auf den Prüfstand kommen und ggfs. als tierschutzwidrig eingestuft werden. Die Frage, wer
diese Einstufung vornimmt und ob zusätzlich zur Jägerprüfung weitere (welche?)
Befähigungsnachweise zur Baujagd vorzuweisen sind, wird im Gesetz nicht beantwortet.
b.) Verantwortlich für die Nachsuche, wenn ein krankes Stück in ein Revier hinein wechselt, ist
nun nicht der Schütze oder der Revierinhaber, in dessen Bereich die Nachsuche begonnen
hat, sondern der, in dessen Revier das Stück hinein wechselt (§ 33 Abs. 3).
c.) Die Baujagd bleibt zwar möglich, aber erforderlich ist ein Fachkenntnisnachweis (siehe
vorstehende Ausführungen unter Ziff. 3. a.).
d.) Wildernde Hunde dürfen erst nach vorheriger Anzeige bei der zuständigen Behörde getötet
werden. Bei wildernden Katzen gibt es mehrere Voraussetzungen, insgesamt ist damit
faktisch kein Schutz des Wildes mehr möglich (§ 31 Abs. 2, 3).
e.) Eine Bejagung des Wolfes ist nach dem Gesetz noch bei weitem nicht möglich.
Achtung: Manche Auswirkungen wird man erst sehen und dann auch beurteilen können,
wenn die entsprechenden Verordnungen, auf die an 50 (!) Stellen verwiesen wird, vorliegen."
Bei den noch zu erlassenden Durchführungsverordnungen muss die Jägerschaft wachsam sein!